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Autorenbildfraeulein_franzi

Relativ authentisch. [Römer 2,12-29]

Aktualisiert: 26. März 2021


Ich möchte gerne authentisch sein und „ein authentisches Leben führen“ gehört zu dem großen Bild meiner Lebensziele. Und auch wenn ich mich bei dem sperrigen Wort „Authentizität“ des Öfteren verhaspele, so ist es ein Wert, den ich schlichtweg positiv besetze. Ich beschreibe Personen als authentisch, die irgendwie echt sind, offen und ungekünstelt zu sich stehen und furchtlos „ihr Ding“ machen. Eine authentische Person ist irgendwie nahbar und greifbar, weil sie keine Spielchen spielt und sich nicht versteckt. Es ist eine Person, die Einblick in ihre Gefühle geben kann, in ihre Freude und ihren Schmerz, und deren Reden und Handeln stimmig erscheint.


Kennst du solche Menschen?


Bist du selbst so ein Mensch?


Mir scheint, dass man eigentlich nur von „relativ“ authentisch sprechen kann. Denn ich kenne nie alles von einem Menschen. Nicht nur, weil die Person sich nicht vollständig offenbart, sondern weil wir selbst nicht alles von uns wissen. Ich bin mir selbst ein stückweit verborgen. Es gibt Dinge in meinem Leben, die sind mir und dir bekannt und können ein Ausweis meiner Authentizität werden. Es gibt Dinge in meinem Leben, die sind nur dir bekannt – das sind meine blinden Flecken und ich brauche deine Hilfe diese zu sehen. Es gibt Dinge in meinem Leben, die sind nur mir bekannt. Das sind meine Geheimnisse, das Verborgene in mir. Je größer dieser Bereich ist, desto schwieriger ist es jemanden wirklich greifen und verstehen zu können. Das Verborgene zu schützen kann von Angst motiviert sein. Ich habe Angst, dass man mich nicht mehr lieben würde, wenn man das oder jenes über mich wüsste. Es kann auch von der Erfahrung geprägt sein, dass Menschen einen enttäuscht haben, als man sich geöffnet hat. Vielleicht ist es auch eine Überforderung, denn ich kann nicht alles kontrollieren, nicht alles sehen, nicht alles greifen. Denn es gibt auch die Dinge, die sind mir und dir verborgen und allein für Gott sichtbar.


Lange empfand ich die Aussage, dass Gott auch „die verborgensten Dinge“ sieht, als bedrohlich. Das ist nicht mehr so, denn ich empfinde es als tröstlich, dass es jemanden gibt, der mehr sieht als meine „relative Authentizität“. Der Herr auch über meine verdrängten Verletzungen und verborgenen Ängste ist. Der die Ungerechtigkeit und das Elend, das im Dunkeln passiert, ans Licht holt und aufdeckt. Gerechtigkeit schafft und Heilung schenkt. Ein gerechtes Urteil über Verborgenes ist kein Pranger, sondern hat die Veränderung im Blick.


Gott geht es nicht um frommes Tun oder frommes Gerede. Es geht ihm um unser Herz, das eben nur relativ authentisch ist. Gott möchte tiefer gehen und eine Wahrhaftigkeit in unseren Leben herstellen, die meine bloße Authentizität in den Schatten stellen wird.

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